Diese Zeilen sind an alle gerichtet. An größere, sowie mittlere und kleinere Betriebe, wie z. B. auch an Scherenschleifer, Köhler, Hufschmiede, an die Ämter der Bürokratie und natürlich auch an Banken. Die liegen uns ganz besonders am Herzen. Sie sollen hier keineswegs zu kurz kommen, weil bei denen, mit ihren nicht zu übersehenden Gebühren, Zinseszins- und Leerbestandsrechnungen, oft recht seltsamme Beträge von Cents einerseits, und Millionen von Euros andererseits, aber auch Vielfache davon, hochkommen, dann aber auch völlig unerwartet wieder verschwinden können.
Wir suchten deshalb einen mustergültigen Betrieb, um allen, also auch Geldhäusern, Hedgefondsmanagern und Ratingagenturen Einblick in ein Unternehmen zu gewähren, das im Vergleich ein geradezu traumhaftes Beispiel darstellt. Freilich, eine große Kartoffel hätte es als gutes Beispiel auch schon getan. Aber wir wollten etwas noch Besseres.
Ist der Standard der Firma Machmascho für die meisten auch ein unerreichbares Ziel, so soll zumindest nachgewiesen werden, dass es immer auch noch etwas besser geht; wenigstens ein kleines bisschen besser. Jedenfalls hätten wir, mit den Methoden von Fa. Machmascho viel Geld gespart; Hunderttausende, Millionen, Milliarden.
Es hätte in vielen Fällen wirklich genügt, wenn die schwarzen Schafe des Geschäftslebens wenigstens auf dem Niveau von Firme Machmascho oder zumindest mit der Effizienz der kleinen Kartoffel gearbeitet hätten.
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Nachdem in dem Buch zunächst noch Einblick in einen überirdischen Betrieb gewährt wurde, in dem gerade ein verlorengegangene Heiligenschein gesucht wurde, wie dies in der Finanzwelt und im Politikbetrieb ja ständig, in gewissen Bereichen immer der Fall ist, konzentrieren wir uns in den folgenden Seiten auf die betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse die das Management der Fa. Machmascho, im Laufe des Jahres sammeln konnte.
Natürlich taucht auch bei Fa. Machmascho jeden Tag ein anderes Problem auf. So sehr wollten wir aber nicht ins Detail gehen, Es reicht schon, wenn wir hier jeweils das Thema des Monats behandeln.
Als erstes wäre da der Fall Piege zu nennen, in dem klar zu sehen ist, dass auch geringste Vorkommnisse für die Firma von großer Bedeutung sein können.
In weiteren Fällen geht es um die für uns alle so wertvolle Zeit, um anspruchsvolle Abläufe in der Entwicklungsabteilung, und um Geschäfte mit Geschäftspartnern aus „Tausendundeinernacht“. Dann wäre da auch von offenen Fragen rund um ein neu entwickeltes Gerät zu berichten, von dem sogar ein Muster beigelegt wurde. Es handelt sich um modernste Technik, voll von, allerdings auch fast nur künstlicher Intelligenz. Erwähnt sei hier auch noch das Kapitel „Bienen“ in dem es um die heute ganz allgemein so wichtige Themen rund um Transport und Verkehr geht.
Zum neuen Jahr bei Firma Machmascho
„Meine Damen und Herren, wir nähern uns dem Jahresende. Die Aktionäre wollen auch heuer wissen, wie es um die Firma bestellt ist. Herr Wäggenschleck, wenn ich bitten darf, die aktuellen Zahlen. Um es kurz zu machen: Welchen Gewinn haben wir erwirtschaftet?’
‘Herr Direktor, ich möchte da etwas ausholen. Vor fünf Jahren, als wir das Werk in Schlemmerhausen verkauft haben, machten wir sage und schreibe über zehn Millionen Euro Gewinn. Voriges Jahr betrug der Gewinn fünfhunderttausend Euro. Das ist verständlich, weil wir keine Fabrik verkauft haben und auch sonst keine Sondereinnahmen verbuchen konnten.“
„Das weiß ich.“
‘Heuer konnten wir den Gewinn nicht halten. Der Markt war sehr schlecht. Die Preise fielen. Die Konkurrenz war besonders hartnäckig, um nicht zu sagen bösartig.’
‘Ich weiß, Wäggenschleck, ich weiß. Also der Gewinn … ’
‘Der Gewinn, Moment, ich hab´s gleich. Also der Gewinn. Meine Kollegen, die bei der Auflistung mitgearbeitet haben, können es bestätigen, ein Gewinn ... ’
‘Nicht so vage! Das heißt der Gewinn ist …, oder wir haben einen Gewinn von … ’
‘Der Gewinn …
Ich darf erst noch darauf hinweisen, dass für nächstes Jahr wieder zehn Millionen Gewinn eingeplant sind. Was zählt sind doch die engagierten Mitarbeiter, die dafür einstehen, die Gesinnung, die Motivation, die Entwicklung und natürlich auch die Firmenleitung. Da sind wir überall Spitze. Bei der Gelegenheit fällt mir ein, Herr Marlbeiß ist gestern Vater eines gesunden Jungen geworden. Ein Wonneproppen sozusagen.’
‘Gut gut, freut mich.’
’Gewinn ist eben nicht das Wichtigste auf der Welt. Wir sollten ihm gratulieren ... ’
‘Dem Wonneproppen?’
‘Nein, dem Marlbeiß.’
‘Hat er da wenigstens was hingekriegt?’
‘Wir sollten ihm eine Schaukel schenken. Kinder mögen es gern, wenn
sich etwas hin und her bewegt, will sagen wenn sie schaukeln können. Ich meine von Hoch nach Tief und wieder hoch usw.’
‘Ja, später.’
‘Und ein passendes Präsent zukommen lassen.’
‘Und der Gewinn?’
‘Für heuer waren auch zehn Millionen eingeplant.’
‘Und wie hoch ist er tatsächlich.’
‘Tatsächlich ist er …
‘Also, wie die Herren bestätigen können haben wir sozusagen einen ... .’
‘Ich wäre eher für eine Wiege‘, meldete sich jemand vom Fenster her.
Die Worte, wohl der wichtigste Beitrag der an diesem Tage von Herrn Duridödl kam, gingen unter, weil Direktor Ziegenwürstl gerade ans Telefon gerufen wurde. Im Konferenzzimmer folgte nun eine moderne Fuge aus Geschirrklappern und Löffelperkussion, wie es sich so ergibt, wenn eine ganze Runde recht tatenfreudig, zwar nicht in Firmenproblemen, aber doch immerhin in Kaffeetassen rührt.
‘Zunächst sollten wir ihm eine Gratulationskarte schicken‘, war im steigenden Geräuschpegel eine Stimme zu vernehmen.
‘Sie meinen wohl eine Glückwunschkarte‘.
‘Das ist ganz richtig, in so einem Fall wünscht man viel Glück.‘
Der Herr Direktor, der gerade eben zurückgekommen war, griff das Wort mit Interesse auf: ‘Ja das wollte ich auch zur Sprache bringen, wir sollten über eine Glückwunschkarte nachdenken, eine fürs ganze Jahr, eine überzeugende, die auch in Durststrecken, wie wir sie diese Tage erleben, gut rüber kommt.‘
‘Fürs ganze Leben‘, warf Gocklton ein.
‘Na meinetwegen. Können sie bis zur nächsten Sitzung schon mal etwas aufsetzen? Zunächst vielleicht mit einer Bemerkung zu den aktuellen Ereignissen, dann etwas Allegorisches, das kommt immer an, und zum Schluss ganz liebe Wünsche, denen sich niemand entziehen kann. Das Ganze muss so verpackt sein, dass die Perspektive deutlich raus kommt und die kleinen Unebenheiten der Gegenwart verbal überzeugend ausgebügelt, nein besser gleich ganz wegradiert werden.‘
‘Und was schenken wir? Eine Bonboniere?‘
‘Ich wäre da eher für eine Flasche Schnaps‘
‘Eine Schaukel?‘
‘Sie mit ihrer Schaukel.‘
‘Die Idee kam von Wäggenschleck.‘
‘Wie wollen sie denn das machen. Jeder weiß, dass es immer auf und ab geht, in unserer Branche ganz besonders. Da hat jeder Schaukel genug. Die Worte sollen ja gerade dieses Hin und Her im ‘allerschönstmöglichen Licht’‘ erscheinen lassen‘, kanzelte der Herr Direktor den Vorschlag ab.
‘Es ist das zweite Mal.‘
‘Das hätte ich nicht erwartet‘, sagte der Direktor. ‘Schreiben sie es so auch rein, das zweite Mal in Folge. Meine Herren, sie sind hoffentlich mit mir, wenn ich sage: Wir haben gute Arbeit geleistet. Jeder von uns.‘
Dagegen hatte keiner etwas einzuwenden.
‘Er!‘, rief einer dazwischen.
‘Ich habe leider noch einen wichtigen Termin und darf mich damit verabschieden‘, fuhr Direktor Ziegenwürstl fort.
‘Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende‘, fügte er gut gelaunt hinzu.
‘Meine Herren, erholen sie sich bei Familie, am See oder in den Bergen oder wo sonst sie auch wollen.‘
Wäggenschleck schien noch etwas auf dem Herzen zu haben. Er schnalzte sogar mit den Fingern, verschluckte sich aber gerade an den Worten: ‘Die Verluste …‘
Wäggenschleck verschluckte sich vollends an dem bröseligen Keks. Dem Direktor fiel es auf, doch der Wäggenschleck hatte immer etwas zu nörgeln, weshalb ihm der Direktor launig entgegen kam und rief: ‘Ich weiß, ich weiß, Wäggenschleck, wo die tiefsten Täler, da die höchsten Höhen.
Stellen sie´s zurück, bis der Keks drunten ist. Also bis nächste Woche.
Gocklton, Sie bringen, wie gesagt, schon mal einen Entwurf für die Neujahrskarte mit, dann können wir ihn bei der nächsten Besprechung verabschieden.’
Gocklton setzte eine Arbeitsgruppe ein. Der Entwurf lag rechtzeitig zur nächsten Sitzung vor. Sie waren gut in der Zeit, so dass ihn einige schon vor der Sitzung durchgelesen hatten. Nicht so Dir. Ziegenwürstl. Er hatte sich um Wichtigeres zu kümmern, als um Festtagswünsche. Auch als der Text in der Sitzung vorgetragen wurde hörte er nur halb hin. Er blätterte immer wieder in der Mappe hin und her, runzelte die Stirn und vergaß sich fast ganz in den Problemen der Firmenleitung.
Zum neuen Jahr
Der Piege warf den Josef raus:
‘Hier bin ich der Herr im Haus!‘
rief er, und fügte schnell hinzu:
‘Ich will jetzt endlich meine Ruh.‘
Er hat auch noch Maria g´seh´n.
Die ließ er böse schimpfend steh´n.
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Unter einer alten Stiege,
erwachte eine kleine Fliege.
Der war noch alles unbekannt,
drum flog sie ziellos umanand.
Man sah sie durch die Gegend flitzen
und gern auf Nasenspitzen sitzen.
Vom Bierkrugrand blitzschnell verjagt
Herr Piege sie mit einem Schlag.
Glas und freche Fliege flogen
durch die Luft in hohem Bogen;
auf ihre je ganz eig´ne Weise.
Und weiter flog die Fliege Kreise.
‘Wenn ich auf diese Nasenspitze
für eine kleine Weile sitze?‘…
Sie kam nicht weiter im Gedanken;
der Unhold schlug mit seinen Pranken
auf die eig´ne Nase ein.
‘Das Biest hau ich noch kurz und klein!‘
Die Fliege ließ ihm keine Ruh´.
Nun schlug er mit der Zeitung zu;
zwar schnell und kräftig, doch oh Schreck,
nun flog auch noch die Vase weg.
Eine Fliege sieht sehr schnell
und ist auch prompt, lästig zur Stell.
Diese saß nun auf der Lampe,
die so wärmespendend brannte.
Herr Piege stieg auf einen Hocker,
kippte ihn an, der alte Zocker,
nun sprang die Ziege auch noch auf.
So nahm das Unglück seinen Lauf.
Bei der Aktion hier fehlte schlicht
das notwendige Gleichgewicht.
Die Ziege flog durch d´ Tür zur Stiege,
der Fuß Herrn Pieges trat zur Wiege,
die wippte kurz und kippte an,
wodurch Herr Pieg´ ins Fliegen kam.
Er griff zum Schrank und ließ nicht locker,
dann flog er völlig ab vom Hocker.
Erst langsam und dann immer schneller
flog er hinunter, Richtung Keller.
Seine fette, große Masse
bahnte sich ´ne breite Gasse.
Der Flug ansich gelang ihm gut.
Die Landung war´s, die jetzt weh tut.
Der Schrank fiel nun, zum Überfluss,
auf Herrn Pieges rechten Fuß.
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Damit er ihn zum Karren kriege,
schnallt´ ihn der Arzt fest auf die Liege.
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Und weiter flog die Fliege Kreise
in der ihr angebor´nen Weise.
‘Wenn ich auf diese Nasenspitze
Für eine kleine Weile sitze?‘
Die Nase zuckte hin und her,
die Wut Herrn Pieges wurde mehr,
die Fliege kitzelte und kroch
aus Neugier in ein Nasenloch,
von dem sie ja noch gar nichts wusste
bis dass Herr Piege niesen musste.
Er stöhnte auf vor Schmerz im Bein
und ließ das Niesen fortan sein.
Die Fliege hatte ein Problem,
ihm tief ins rechte Aug´ zu seh´n.
Sie krabbelte zu diesem Zweck
mal näher ran, dann wieder weg.
Nas´ und Augen von Herrn Piege
bekämpften die verrückte Fliege.
Die flog im Zickzack und im Kreise
und summte frohgemut und leise:
‘Um das Auge zu verbessern
könnt´ ich´s mit Pipiwasser wässern.‘
Kaum gesagt, schon getan,
sie fing damit umgehend an.
Ein Wasserschwall der Tränendrüse
schoss auf ihre vielen Füße.
Fast wäre sie darin ertrunken,
und das hätt´ ihr denn doch gestunken.
Für Piege war das auch kein Segen,
er hatte gründlich was dagegen.
Was für Grimassen, welch ein Klimpern,
nicht am Klavier; mit Lid und Wimpern!
All das Ziehen, Blasen, Dehnen
mit den Muskeln und den Sehnen
hat die Fliege nicht berührt,
sondern eher animiert.
Dann endlich trugen sie ihn raus;
die Fliege aber blieb zu Haus.
Gefahr gab es hier keine mehr.
Vergnügt flog sie mal hin, mal her.
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Hier noch der himmlische Bericht
Zu der Moral von der Geschicht:
Fliege: Jeder fliegt so vor sich hin, doch keiner kennt den wahren Sinn.
Piege: Wer ist denn nun der Herr im Haus, und solche Ruhe! Welch ein Graus
Ziege: Man soll nicht gleich auf alles springenund aus dem Gleichgewichte bringen.
Wiege: Was allgemein sehr angenehm, kann auch mal voll daneben geh´n.
Nun gut, der Fall schlug kaum zu Buche
bei der erwähnten Herbergssuche.
Die zwei haben uns viel gegeben;
Hoffnung auf ein bess´res Leben;
sie haben eine Glut entfacht
und Liebe in die Welt gebracht.
Hätt´ Piege sich korrekt benommen,
wär er wohl besser weggekommen.
Nun kommt ein neues Jahr ins Land
und stickt fortan der Zeiten Band.
Wir wünschen, dass nur gute Seiten
die jungen Tage aufbereiten.
Der Mensch muss Neues akzeptieren,
wir wollen hier nicht lamentieren,
denn gerne mag sich Neues regen,
doch hoffentlich mit Glück und Segen.
Das Neue ist das nächste Jahr.
Wir wünschen Euch, das ist doch klar,
dafür von allem nur das Beste,
für die Zeit und zu dem Feste.
Ihre Firma Machmascho
Da es nur darum ging, den Text für den Druck freizugeben, sollte die Sache gleich am Anfang der Sitzung verabschiedet werden. Diese Bagatelle sollte niemanden länger belasten.
Irgendwie lagen zu Beginn der Sitzung aber zu wenig Exemplare vor, weshalb der liebe Herr Gocklton zum nächsten Kopierer eilte.
Der Herr Direktor blätterte kurz durch und fragte: ‘Wer ist Piege?
Wüstenmüller, sie kennen die Kunden. Konnten wir einen neuen dazugewinnen?’
‘Nein Herr Direktor, ein Kunde ist das sicher nicht.‘
‘Wer dann? Und warum hat er den Herrn Josef rausgeworfen?’
Gocklton kam herein. Er händigte die letzten Kopien aus und nahm möglichst geräuschlos seinen Platz ein. Der Chef konnte unangenehm reagieren, ganz besonders wenn er in seinen Gedanken unterbrochen wurde. Er war ein echter Choleriker. Einer von der unberechenbaren Sorte. Manchmal wie ein Vulkan mit eruptiven Ausbrüchen, Rauch und Feuer spuckend.
‘Kommen Sie schon wieder zu spät, Gocklton?‘
‘Ich habe noch die fehlenden Kopien gezogen.‘
‘Was heißt da, die fehlenden Kopien. Wir sind hier immer zu zwölft.‘
‘Es waren aber nur zehn Kopien.‘
‘Sind die restlichen zwei etwa verloren gegangen? Können Sie nicht bis zwölf zählen, oder der Kopierer? Sagen Sie mir. was der Josef gemacht hat?‘
‘Der war Zimmermann.‘
‘Und warum hat ihn der Piege rausgeworfen?‘
‘Er hat ihn gar nicht reingelassen.‘
‘Wieso lässt ihn der nicht rein? Die Arbeit muss doch gemacht werden. Lieferungen stehen an. Wir sind so schon gehörig im Rückstand. Rufen Sie sofort den Piege an, er soll den Josef reinlassen. Die verlorene Zeit muss in Überstunden aufgeholt werden.
Ach da habe ich versehentlich drei Kopien genommen. Wieviel haben wir jetzt insgesamt?
‘Vierzehn.‘
‘Wir sind aber nur zu zwölft. Gocklton, Sie schmeißen das Geld zum Fenster raus. Für zwölf Mann braucht man nach Adam Riese zwölf Kopien. Merken Sie sich das. Nicht vierzehn. Ich sollte Ihnen die verschwendeten Kopien vom Gehalt abziehen.’
‘Also, warum ist er rausgeflogen.‘
‘Das weiß ich auch nicht. Aber er war nicht der Einzige.‘
‘Bringen Sie das in Ordnung ’
‘Die Angelegenheit ist gewissermaßen schon bereinigt. Die Fliege …’
‘Ja gut, die Fliege ist also auch geflogen, sagte Gocklton.‘
Direktor Ziegenwürstl wollte da nicht weiter Zeit verschwenden und sagte: ‘Mir kommt es nicht darauf an, wie viel geflogen sind, ich will wissen warum, und vor allem, wo bekommen wir Ersatz her? Es sind ja immerhin schon deren zwei. Herr so und so …, Josef, richtig, Josef und der Fliege.‘
‘Die‘, warf Gocklton ein und fügte schuldbewusst hinzu: ‘Entschuldigung, ich habe im Kopierraum meine Brille vergessen.‘ Schon war er draußen. Der Herr Direktor aber war in Fahrt:
‘Na gut. Frau. Was hat diese Frau gemacht. War die auch in Pieges Abteilung? Wie kam die voran?’
Einer wandte ein, dass die Fliege bei den Ereignissen eine tragende, ja fast übergeordnete Rolle spielte.
‘Dann wird man sie nur schwer ersetzen können. Eine leitende Angestellte. Das hat mir gerade noch gefehlt!‘
‘Ich denke, man kann sie in der Angelegenheit überhaupt nicht ersetzen‘, sagte Gocklton, der gerade wieder zur Tür herein kam. ‘In Natura könnte man sie schon durch eine andere ersetzen. Nicht aber von ihrer Aufgabe als Trägerin der Handlung her.‘
‘Wie kam es dann, dass die Fliege geflogen ist?‘ Was war ihre Aufgabe? Entschuldigung, ich will da keine Einzelheiten, nur ein Schlagwort. Ich meine, wie ist sie geflogen?‘
‘Im Zickzack und im Kreise.‘
‘Also keine klare Linie. Da kann ich den Piege verstehen. So eine Ziege hätte ich schon viel früher rausgeschmissen.‘
‘Das ist ein ganz anderer Aspekt. Die Ziege … .’
‘Ja hergodonnerweda! Unterbrechen Sie mich nicht immer. Donnerstag müssen wir liefern.’
Gocklton zog den Kopf ein und die Tür zu, von außen. Er hatte seine Mappe liegen lassen, wollte sich aber nicht erneut blamieren.
Drinnen ging der heroische Kampf weiter.
‘Gibt es für die Fliege Ersatz? Rufen sie doch gleich das Arbeitsamt an. Sie muss so schnell wie möglich ersetzt werden. Wir müssen die Personalakte kommen lassen. Mümmelmann, seien Sie doch so nett.’
Mümmelmann machte sich sofort auf den Weg. Im Personalbüro bat er um die Akte von der Fliege. Um Druck zu machen fügte er hinzu: ‘Für den Herrn Direktor.’‘
Sie war aber leider nicht auffindbar.
Er trank aber den Kaffee noch aus. ‘Wenn ich gar zu schnell zurückkäme, wäre das nicht so gut‘, dachte er, denn er kannte seinen Chef. Der schimpfte dann etwas von oberflächlich, herzlos, gedankenlos und so fort, oder polterte gerne mal los, dass es bei einer solchen Auffassung von Arbeit kein Wunder wäre, wenn … .’
Als Mümmelmann zurück kam hatte sich das Missverständnis aufgeklärt. Der Herr Direktor war aber keineswegs besser gelaunt: ‘Für Wünsche ist so eine verworrene Situation überhaupt nicht geeignet‘, grantelte er. ‘Die Aktionäre und Kommanditisten haben Besseres verdient. Mit so einem Durcheinander kann man denen nicht kommen. Zu den Feiertagen schon gar nicht. Eine Katastrophe auftischen, mit Ziegen und Fliegen und so damischen Angestellten! Wo kommen wir denn da hin! Eine Katastrophe!
Herr Donnermacher! Nehmen Sie sich der Sache an. Kümmern Sie sich um einen passenden Text. Ich kann mich nicht ständig um solche Nebensächlichkeiten kümmern.‘
‘Gern Herr Direktor, gerne‘, rief der Chef der Werbeabteilung vom Kaffeeautomaten herüber. ‘Sie hätten sich besser gleich an uns gewandt. Wir sind schließlich dafür da. Glückwunschkarten sind auch eine Art Werbung.‘
Er konnte sich den Ton erlauben, weil er berufsbedingt immer den rechten Spruch auf Lager hatte, meistens jedenfalls, oder sagen wir manchmal.
‘Machen Sie da etwas mehr Wind. Die Leute müssen sehen, dass wir den Laden im Griff haben. Lassen Sie ruhig durchblicken, ja Durchblick ist gut, wir haben den Durchblick fürs Geschäft und für das ganze Jahr. Sprechen sie vom Durchblick, sagen Sie was wir so machen, mit griffigen Hinweisen zum kommenden Geschäftsjahr und am Schluss Grüße und Wünsche und das übliche Blabla. Verstehen Sie?‘
‘Verstehe Herr Direktor. Am Schluss wünschen wir gute Geschäfte und eine erfreuliche Kursentwicklung.‘
Der Direktor sprang auf und rief: ‘Nein, nein und nochmal nein. Ja Himmel Arsch und Zwirn, bin ich denn von lauter Hornochsen umgeben. Für die Geschäfte sind doch wir zuständig. Für die Kursentwicklung auch. Da können wir doch nicht mit so dusseligen Eigenwünschen kommen. Das hieße ja, dass wir´s nicht können. Oben sollen Sie doch schreiben, welchen Durchblick wir haben und wie gut wir unser Handwerk verstehen. Man wünscht doch nur das, was man nicht hat, und was man nicht kann oder was es überhaupt nicht gibt oder so was Ähnliches.’
‘Ja, aber dann passt der Text doch ganz gut. Und wenn sie drüber hinaus auch noch helfen, ich meine die Wünsche, dann passt er super.‘
‘Die helfen aber nichts. Wenn Wünsche helfen würden, wären wir schon längst im Paradies. Immer wieder. Wir wünschen doch jedes Jahr! Hat das je etwas geholfen? Wir wünschen uns doch alle den Aufschwung herbei, und trotzdem kommt er nicht.‘
Donnermacher knickte ein. Er tat nun so als hätte er verstanden.
‘Ganz meine Meinung, Chef. Ich habe mich da nur etwas ungenau ausgedrückt. Es müssen also unverbindliche Wünsche sein, gezielt für diese Leute. So wie halt immer.‘
Der Chef wusste nicht recht, ob er auf den Arm genommen werden sollte oder ob sein Werbefachmann das eben nicht richtig verstanden hatte.
Der liebe Herr Donnermacher seinerseits glaubte jedoch, hier wirklich gute Arbeit leisten zu müssen, um nicht endgültig in die Schusslinie zu geraten. Jedenfalls verteilte er schon nach einer Woche seinen Entwurf.
Die nächste Besprechung war an einem schönen Donnerstag.
Schon zu Beginn versuchte der Direktor seine Mannschaft auf das aktuelle Problem einzuschwören: ‘Kommen wir gleich zum wichtigsten Punkt des Tages, der heute unsere ganze Aufmerksamkeit verlangt.
Dafür müssen wir heute alles zurückstellen und uns ganz auf die Sache konzentrieren.‘
Weil die Sekretärin just in dem Moment hereinplatzte, wurde aber nichts daraus; von wegen konzentrieren und hinten anstellen. Fräulein Zweitengeige hatte den Chef in dem Sinn gut im Griff, als dass die ganze Korrespondenz über ihren Tisch lief und sie somit viel zu viel wusste, die Schwächen des Direktors genau kannte, und auch schon mal mit neuen unvorhergesehenen Katastrophen aufwarten konnte, weil diese justament gerade erst telefonisch oder per E-Mail hereingebrochen waren. Aus dieser langjährigen Erfahrung heraus war der Direktor nun hellwach und ganz Ohr.
‘Wer kommt?‘, rief er erregt.
‘Der Herr Keinerzit von Fa. Gross.‘
‘Was will denn der?‘
‘Wenn ich ihn recht verstanden habe, kürzere Lieferzeiten und einen Preisnachlass. Er hat auch etwas von höheren Qualitätsstandards gesagt.‘
‘Sonst noch Wünsche?’, rief der Ziegenwürstl.‘
‘Eine Schaukel oder eine Wiege‘, war die eher schläfrige Stimme von Duridögl zu vernehmen.
Die Bemerkung ließ Gocklton aufhorchen. Er rief begeistert: ‘Was allgemein sehr angenehm, kann auch mal voll daneben geh´n.‘
Wieder rümpfte der Herr Direktor die Nase.
‘Das mag ja sein, mit dummen Sprüchen kommen wir aber nicht weiter. Wir sitzen hier zusammen um eben dies zu vermeiden. Bei uns darf nichts daneben geh´n!‘
Weichenstein rutschte schon lange auf seinem Platz hin und her. Dann war ein leises Donnern zu vernehmen, worauf Weichenstein den Stuhl so nach hinten schob, dass die Beine mit lautem Stakkato über den Boden ratterten und den ersten dumpfen Ton geradezu ausradierten.
‘Ruhe‘, rief der Direktor.
Er sog hörbar Luft ein. Auch die anderen rümpften die Nase. Es stank. Erst kaum zu spüren steigerte sich die Duftwolke zu einer Art peinlichem Mezzoforte. Zumindest für das Riechorgan.
Der Direktor persönlich öffnete das Fenster. Er wandte sich an Mümmelmann: ‘Machen Sie die Tür auf. Wir brauchen frische Luft.‘ Die Nasen erholten sich von der beleidigenden Brise. Dann hörte man ein unterdrücktes: ‘Von wegen alles hint´ anstellen. So wichtig wäre das auch nicht gewesen.’ Gelächter war die Folge. Der Direktor aber wiederholte: ‘Ich bitte um Ihre ganze … .’
Am Nachmittag, nachdem der Herr Direktor mit Herrn Keinerzit von Fa. Gross & Co zu Mittag gegessen hatte, kamen die Neujahrswünsche zur Sprache. Die Anspannung des Tages war einer gemäßigten bis müden Stimmung gewichen, die der von Kartoffeln, Schweinebraten und Sauerkraut gefüllte Magen dem Kreislauf auferlegte. Mit jedem Bissen war auch ein Happen seiner Tatkraft vom Kopf bis weit hinunter in den Bauch gerutscht. Das war in etwa bei allen so. Bei dem Herrn Direktor kamen darüber hinaus aber noch ein paar Bierchen zum Tragen, mit denen er auf das Wohl von Herrn Keinerzit und auf eine weiterhin gedeihliche Zusammenarbeit angestoßen hatte. Wegen der Zugeständnisse, die Herr Ziegenwürstl hatte machen müssen, wollte sich der Magen ganz umdrehen, was ihm aber glücklicherweise nicht gelang.
Alle saßen träge im Sessel. Sie hielten sich am Kugelschreiber fest, drehten den Radiergummi hin und her und verfluchten die Hitze. Sie hatten die Sonne hinter der Jalousie ausgesperrt. Trotzdem war es viel zu warm im Raum. Manche blätterten ziellos in irgendwelchen Unterlagen. Das machte sich immer gut und übertünchte die lustlose Müdigkeit. Lust hatte keiner mehr. Da kam es ihnen gelegen, als der Direktor den Leiter der Werbeabteilung bat, seinen Text vorzulesen.
Es folgte nun heftiges Rascheln und verkrampftes Suchen. Über all die heute schon behandelten Themen waren die Papiere etwas durcheinander gekommen. ‘Vielleicht habe ich ihn in der Aktentasche.‘ Er zog ein paar zusätzliche Hefter heraus und suchte weiter. Damit seine Verlegenheit nicht weiter auffiel begann er mit schleppenden Worten: ‘Die ersten Zeilen kann ich auswendig.‘ Dann folgte eine Pause. Er fasste sich wieder und fuhr gedehnt fort:
‘Also es beginnt so: Hat einer einen Furz getan, so fängt es leicht zu stinken an.‘ Er hielt inne. ‘Wo war nur der Vorschlag.‘
‘Ja himiherrschaftsakzement, das ist schon vorbei‘, schrie der Direktor. Wir haben es ausgehalten. ‘Wenn Sie den Fauxpas schon bereinigen wollen, dann hätte es ein kurzes ‘Entschuldigung‘ auch getan. Muss ich hier alles selber machen. Wir sind hier doch nicht im Kindergarten oder im Irrenhaus?’
Donnermacher konnte mit den Worten seines Chefs gar nichts anfangen. Da er den Text noch immer nicht gefunden hatte flüchtete er sich in die Frage: ‘Welchen Fauxpas meinen Sie denn Herr Direktor?‘
‘Na, dass es hier so gestunken hat.‘
‘Also ich habe nichts bemerkt. Sie etwa, Herr Duridödl?‘
‘Nein ich rieche nichts.‘
‘Ja glauben Sie, ich sei ganz verrückt. Das konnte man doch gar nicht übersehen, pardon nicht überriechen‘, verhaspelte er sich.
‘Entschuldigung, wenn man es nicht riechen konnte; ich meine was wollten Sie damit sagen?‘
Der Direktor lief nun auch noch rot an und schien bald ganz zu explodieren. Da schaltete sich Neudrkäs, der Leiter der Entwicklungsabteilung ein:
‘Meine Herren, das ist kein Grund zur Aufregung. Ich kann das erklären.‘
‘Sie also!’, schalt ihn der Direktor.
‘Nein, nein, ich habe nicht gesagt, ich sei es gewesen, ich wollte sagen, dass ich eine Erklärung habe. So ein Gas breitet sich hier etwa mit zwei Meter pro Sekunde aus. Da das Fenster schon einen Spalt offen war, hatten wir in Ihre Richtung einen schwachen Luftzug, sagen wir von 1,9 Metern pro Sekunde. Der Überdruck zur Zeit X hat sich in dem relativ großen Raum schnell abgebaut, so dass zum Zeitpunkt X1 … Das würde hier nun zu weit führen. Der Gestank zog jedenfalls leider in Ihre Richtung ab, Herr Direktor, und konnte Herrn Donnermacher gar nicht erreichen. Wenn Sie wollen, kann ich das genau nachrechnen. Wir könnten sogar ermitteln, wo die chemische Keule entwichen ist, ich meine an welchem Ort.’
Donnermacher, der immer noch mit rotem Kopf am Tisch saß, flüsterte ein leises ‘Entschuldigung’, und sagte völlig eingeschüchtert: ‘Ich habe jetzt den Text vorliegen.‘
‘Wenigstens einer, der die Übersicht behält‘, lobte der Direktor. ‘Lesen Sie bitte vor.’ Den Anfang kennen wir ja schon. Nehmen Sie einen beliebigen Abschnitt weiter hinten‘, fügte er hinzu. Nur unzureichend unterdrücktes Gekicher unterbrach ihn. ‘Meine Herren, etwas mehr Ernst bei der Sache. Also, wir hören!‘
‘Damit das Ganze verständlich wird, möchte ich doch nochmal von vorne anfangen.‘
‘Meinetwegen!‘
Donnermacher las vor:
Zum neuen Jahr
Hat einer einen Furz getan,
so fängt es gern zu stinken an. 1)
Die Peinlichkeiten erst vergeh´n,
wenn die Winde sanft verweh´n.
Ein Jahr, das kann man so wohl sagen,
verweht mit vielen Feiertagen.
Die danach oft gefühlte Lücke,
ist der Getränke üble Tücke,
die wir im Jubel so genießen,
wenn wir das neue Jahr begießen.
So hat der Ausklang, wie ich finde,
auch Ähnlichkeiten mit dem Winde.
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Ein Nächstes kommt auf jeden Fall!
Mit Feuerwerk und viel Geknall.
Es wär´ für uns auch wirklich schwer,
käm nicht das Nächste gleich daher.
Wie groß wär´ die Verlegenheit
so plötzlich ohne Jahr und Zeit?
Man wüsste dann zwar, dass es stinkt,
doch nicht wann so ein Furz beginnt.
Wir kennen viel vom neuen Jahr,
das Wichtigste ist heut´ schon klar.
Der Beginn ist vorne dran,
ganz vorn´ fängt es nur mal so an.
Bis Jahresmitte kommt´s heraus,
dann läuft es langsam wieder aus.
Das Ende kommt wohl ganz am Schluss,
was sich jedoch erst zeigen muss.
Die Vorgänge im Zwischenraum,
sind etwas schwerer zu durchschau´n.
Und doch, das bisschen zwischendrin
kriegt selbst das größte Rindviech hin.
Den Deppen hat´s noch nicht gegeben,
dem ein Sekündchen fehlt´ im Leben.
Und es ist auch nicht übertrieben:
‘Kein bisschen ist je übrig blieben.’
Wem diese Tipps zu schwierig sind,
dem hilft vielleicht ein and´rer Wind.
Fasse Dich als Profi kurz
und lass ganz einfach einen F 2)
hehren Geist, in uns´ren Sphären
die ungelösten Fragen klären.
Wenn man ein Ende sehen kann,
fängt wiederum ein neues an.
Auch dieses kommt auf jeden Fall,
mit Feuerwerk und viel Geknall.
Das Wchtigste steht somit fest.
Das Andere, also den Rest,
muss jeder selber gründlich kneten.
Wir können hoffen oder beten,
dass dabei alles gut gelingt,
und das Jahr nur Gutes bringt.
Wir wünschen Euch mit vollem Mund,
viel Glück, und rufen: bleibts uns 3) xund.
Ihre Firma Machmascho
1) Das hat schon in ganz jungen Jahren
hautnah jeder Mensch erfahren
und dabei oftens auch beflissen
sogar noch in die Hos` g´schissen ein Loch gerissen.
2) Zu beachten ist dabei
das Resultat von Zeile zwei.
Altbekanntes Gesundheitsmittel (zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker)
3) bzw. werd´s uns
Nun war die Geduld des Direktors am Ende. Ohne auf den Text überhaupt einzugehen, hob er die Sitzung auf. Er nahm den Leiter der Entwicklungsabteilung, Herrn Neudrkäs, zur Seite, und bat darum, dem traurigen Schauspiel ein Ende zu machen. Neudrkäs möge doch bitte einen Vorschlag ausarbeiten. ‘Wenn der in seiner sachlichen Art die Aufgabe angeht, wird schon etwas Gescheites herauskommen‘, dachte der Direktor. Um das deutlich zu machen, sagte er: ‘Herr Neudrkäs, bitte, und ohne Chaos und ohne Anzüglichkeiten. Aber das ist bei Ihrem logisch ausgerichteten, klaren Verstand selbstverständlich. Da habe ich überhaupt keinen Zweifel.’
Neudrkäs pflichtete bei: ‘Herr Direktor, wir müssen oft improvisieren. So eine Glückwunschkarte ist für uns eine Kleinigkeit. Zudem haben wir gerade einen Werkstudenten, der ursprünglich Germanistik studieren wollte. Den setze ich da erst mal an. Dann sehen wir weiter.’
‘Danke Herr Neudrkäs, danke. Sie nehmen da eine große Sorge von mir. Den Donnermacher hätte ich besser gar nicht gefragt. Die Werbeleute sind halt doch Spinner. Meinen Sie nicht auch?’
‘Ganz recht, Herr Direktor. Ich mache denen aber keinen Vorwurf. Die müssen anders ticken, sonst käme nie ein echter Clou heraus. Und nur damit wird die Aufmerksamkeit der Kunden geweckt. Sie sind ja geradezu verpflichtet, schräge Botschaften zu produzieren. Die sollen dann auch noch humorvoll rüber kommen oder sich zumindest durch irgendeinen Gag einprägen. Was liegt da näher, als den Boden der Tatsachen zu verlieren?
Bei uns in der Entwicklung sind da ganz andere Eigenschaften gefragt. Wir müssen der Natur etwas abtrotzen. Da brauche ich Leute mit messerscharfem Verstand. Schräge Ansichten haben bei uns nichts zu suchen. Bei uns zählt nur die Realität.
Ich denke da beispielsweise an unsere Kuckucksuhr. Das war eine glänzende Idee. Nicht wahr?‘
‘Die Idee war fantastisch. Im Moment haben wir da einen Engpass.‘
‘Ach, kommt die Fertigung nicht mehr nach?‘
‘Nein, das ist es nicht. In diesen Zeiten verlangt der Markt andere Produkte. Die Lagerkosten sind so hoch.’
‘Das wundert mich doch sehr. Unsere Kuckucksuhr kann schließlich nicht nur Kuckuck rufen, sondern auch noch wiehern. Das neueste Modell kann sogar grunzen. Der neue Ton, oder sollte ich sagen das Libretto ist viel besser. Es sind angenehme, sonore Töne in tiefer Lage, die unmittelbar die Vorstellung von Feld, Wald und Wiese aufkommen lassen, also von Landen in denen so ein Wildschwein gerne haust. Für mich ist es geradezu ein Sinnbild für Natur und damit für Urlaub und Erholung. Den mageren Kuckuckruf kann man da glatt vergessen. Die Vorteile müssten in der Werbung stärker herausgearbeitet werden.’
‘Hören sie mir mit der Werbung auf. Die bringt mich noch um den Verstand.’
‘Das sehe ich auch so.’
‘Der Donnermacher mit seinen gefurzten Wünschen. Wenn es wenigstens gedonnerte gewesen wären‘, erlaubte sich der Entwicklungsleiter ein Späßchen.’
‘Wenn ich vorgreifen darf, vielleicht schließen Sie etwa mit: ‘Wir hoffen, dass alle Ihre Wünsche in Erfüllung gehen.’ Damit berücksichtigen wir sozusagen alle Wünsche und das noch individuell abgestimmt, auf den Adressaten maßgeschneidert. Ein idealer Schluss!’
‘Das klingt gut, Herr Direktor. Und doch, wenn sie erlauben? Ich hätte da noch eine andere Lösung. Wenn wir nämlich wünschen, dass alle Wünsche in Erfüllung gehen, dann hätte der Bewünschte im nächsten Jahr keine Wünsche mehr offen. Und sehen Sie, Herr Direktor, ein Mensch ohne Wünsche ist doch letztlich ein armer Wicht. Das wollen wir niemandem zumuten. Um diese missliche Situation zu vermeiden, müssten wir logischerweise im Folgejahr wünschen, dass er noch offene Wünsche hat, weil wir nur dann wünschen könnten, dass Wünsche in Erfüllung gehn. Da kämen wir in eine sehr schwierige Lage. Und das selbstverschuldet! Die Aktionäre hätten, bei all ihren Finanzwünschen, dafür kein Verständnis.
Nicht nur, dass wir im Folgejahr keine Wünsche zu verschicken hätten, die Leute müssten ja das ganze Jahr hindurch ohne Wunsch auskommen, zumindest, wenn alle unsere Wünsche in Erfüllung gingen. Wer mag das, im einen oder anderen Fall schon ganz ausschließen.
Wenn wir das wünschen, müssen wir dabei bleiben und zumindest so tun, als gingen alle unsere Wünsche in Erfüllung, auch wenn das nur sehr selten vorkommt. Jedenfalls wäre es schrecklich, wenn wir keine Wünsche mehr zur Verfügung hätten. Natürlich könnte man noch wünschen, der Bewünschte möge nie in so eine Lage kommen. Aber auch das hat aber auch einen faden Beigeschmack. Die Leute kämen bei dieser schwierigen Ableitung ins Grübeln, was für uns hieße, den Wunsch einschließen zu müssen, auch dies möge nie der Fall sein. Ein Teufelskreis. Ich will nicht, dass wir belangt werden, weil der Eine oder Andere über diesem Problem verrückt geworden ist.
Ich muss nochmals betonen, ein Mensch ohne Wunsch ist für mich unvorstellbar. Ja man kann sagen, ein Mensch ohne Wunsch ist kein Mensch - aber was ist er dann? Das ist für sich schon ein bisschen verrückt! Nicht wahr? Sehen Sie all die möglichen Folgen? Schrecklich!
Unser ganzes Leben besteht doch aus Wünschen. Wer sich nichts mehr wünscht, ist wie ein Stein oder eine Kuckucksuhr ohne Kuckuck, verstehen Sie?’
Der Direktor war ganz blass geworden. Teils aus Ehrfurcht und teils weil er es nicht verstanden hatte.
Er bedankte sich für die höchst interessanten und so informativen Ausführungen und bewunderte die klare Linienführung. ‘Daran habe ich nicht gedacht. Da hätten wir ja fast einen groben Fehler gemacht. Wir hätten die Schwierigkeiten geradezu heraufbeschworen, selbst verschuldet. Das wünsch ich mir am allerwenigsten. Schwierigkeiten haben wir schon so genug. Wie froh bin ich, dass Sie sich mit Ihren Leuten um diese Aufgabe kümmern. Ich verlasse mich da ganz auf Sie, denn glauben Sie mir, ich habe genug Sorgen, da kann ich mich nicht auch noch um dämliche Grußkarten kümmern.’
‘Da muss ich mich denn doch verwehren. Unsere Grußkarten sind nicht dämlich, Herr Direktor. Sie werden sehen, da ist alles wohl begründet und höchst präzise ausgefeilt. Mit halben Sachen geben wir uns nicht ab. Die Verwünschten, ich meine, die Leute, die wir mit den Wünschen bedenken, werden begeistert sein!’
Neudrkäs selbst konnte sich nicht mehr darum kümmern, da er sich für eine Dienstreise vorzubereiten hatte. Er gab aber noch Anweisungen, was unbedingt drin stehen sollte. Das Schreiben mit den Feiertagswünschen sollte modern und in die Zukunft gerichtet sein. Natürlich auch universell, so dass sich jeder angesprochen fühlte, gleich ob er sich gerade hier oder sonst wo aufhielte.
Am nächsten Tag war er weg. Irgendwo in Asien. Für zwei Wochen.
Der Werkstudent war zwar auch nur noch ein paar Tage da, aber die Aufgabe war ihm wie auf den Leib geschneidert. Hier konnte er sich austoben und profilieren.
Zunächst arbeitete er den Text aus. Das dauerte seine Zeit. Damit die Leute auch weiter hergeholte oder sagen wir ungewöhnlichere Stellen problemlos verfolgen konnten, ordnete er den Versen eine Reihe von Abbildungen zu. Das Ganze peppte er im Computer mit einem Animationsprogramm auf. Er war begeistert.
Um seinen Entwurf in der knappen Zeit noch persönlich vorstellen zu können, lud er die Leute von der Führungsetage kurzerhand ins Besprechungszimmer. Da er im Namen seines Chefs, Herrn Neudrkäs, agierte, konnte er sein Vorhaben problemlos durchsetzen.
Selbstbewusst und ohne Umschweife legte er los:
Zum neuen Jahr
Die Wünsche hier, fürs neue Jahr
vergolden jede Lebenslage
und wirken, das ist sonnenklar,
dreihundertfünfundsechzig Tage.
….